Immer wieder werden Unternehmen dabei ertappt, dass sie im Web keine Transparenz walten lassen und die öffentliche Meinung mit verdeckter PR zu manipulieren versuchen. Es wird schmerzhaft und peinlich, wenn Kommunikationsprofis versuchen, die eigenen Zielgruppen an der Nase herumzuführen. Verdeckte PR hat weder mit Public Relations noch mit Werbung etwas zu tun – eher mit Betrug.

Lange Nase, kurze Beine – willkommen bei den Experten verdeckter PR (Foto: kallejipp, photocase)

Der folgende Text ist ein Vorab-Auszug aus dem Mitte 2010 erscheinenden Buch Social Media Relations.

Unter den bekannteren Fällen: die Deutsche Bahn, die Marketingagenturen damit beauftragt hatte, fingierte positive Kundenmeinungen ins Netz zu stellen. Unter Anderem sind, wie der Deutsche PR-Rat DRPR im Rahmen einer Untersuchung festgestellt hat, im Jahr 2007 insgesamt 1,7 Millionen Euro an die Agentur European Public Policy Advisers (EPPA) geflossen, die mit diesem Budget verdeckte PR-Maßnahmen durchgeführt hat. Es wurden laut DRPR Blogs und Internetforen beeinflusst, Leserbriefe geschrieben und beispielsweise eine gefakte Straßenumfrage auf YouTube eingestellt. Bei all diesen Maßnahmen sei der Auftraggeber nicht genannt worden. Im Web 2.0 seien systematisch fingierte Beiträge veröffentlicht und unter Anderem das Forum von SPIEGEL online unterwandert worden, um auf die eingestellten bahnfreundlichen Inhalte zu verweisen, stellt der PR-Rat in seinem Beschluss fest. Als der Vorgang aufflog, war eine öffentliche Rüge des Deutschen PR-Rats für die Bahn und die beteiligte Agentur die Folge. Völlig zurecht, denn diese hatten grundlegende Codizes der Kommunikationsbranche verletzt, in denen Transparenz und Redlichkeit in der Öffentlichkeitsarbeit gefordert werden, konkret den Code de Lisbonne und die DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum.

Mit Fake-Rezensionen auf Kundenfang

Mir liegen Unterlagen vor, aus denen hervorgeht, dass nach wie vor Agenturen mit ähnlichen Angeboten auf Kundenfang sind. Dabei wird angeboten, positive Nutzerrezensionen im Dutzend gegen Bezahlung ins Internet zu stellen. Ein klarer Verstoß gegen alle gängigen Codizes, zu denen sich seriös arbeitende Public-Relations-Agenturen verpflichten. Zudem ist ein solches Vorgehen nicht mit dem Wettbewerbsrecht vereinbar. Ebenso werden von sogenannten Twitter-Spezialisten oder „Twit-Coaches“ Follower in Hunderterpacks verkauft. Andere Dienstleister bauen mit Spam-Methoden Twitter-Accounts auf und verkaufen sie dann weiter. Dabei kommt den dubiosen Anbietern entgegen, dass sich der Name eines Twitter-Accounts auch nachträglich ändern lässt.

Solche Aktivitäten sind nicht nur unmoralisch und schädlich für die gesamte Kommunikationsbranche. Sie sind auch gefährlich. Es ist ein wenig wie bei Steuerhinterziehung: Das Ganze kann funktionieren und unentdeckt bleiben, es kann aber auch ans Tageslicht kommen und dann ein Vielfaches der potenziellen Einsparung und Reichweite an Schaden und öffentlicher Schmach nach sich ziehen. Oder, wenn das Vorgehen allzu naiv war, auch Spott. So erging es dem IT-Hardwareanbieter Belkin: Ein Mitarbeiter des Unternehmens hatte auf der Amazon-Plattform „Mechanical Turk“, auf der Dienstleistungen ausgeschrieben werden können, angeboten, für jeweils ein positive Fünf-Sterne-Rezension eines Produktes 65 Cent zu bezahlen. Die Reaktionen aus dem Social Web waren entsprechend hämisch. Belkin-Chef Mark Reynoso entschloss sich zu einem öffentlichen Entschuldigungsschreiben. Doch selbst Medienunternehmen sind nicht vor peinlichen Fehlern durch die Verlockungen des Guerilla-Marketing gefeit: Anfang 2010 schließlich machte das Onlinemarketing der Süddeutschen Zeitung Negativschlagzeilen. Der Chef der Abteilung hatte bei dem Schweizer Unternehmen Trigami bezahlte Blogbeiträge über die iPhone-Applikation der SZ in Auftrag gegeben. Als die Sache an die Öffentlichkeit kam, war der Imageschaden immens. Gipfel der Angelegenheit war, dass die Onlineredaktion sich öffentlich von der Verfehlung ihrer eigenen Marketingabteilung distanzierte. Auf sueddeutsche.de hieß es: „Die Redaktion der Süddeutschen Zeitung war über die Trigami-Kampagne ebenso wenig informiert wie die Redaktion von sueddeutsche.de. Beide verurteilen den Versuch, über bezahlte Blog-Einträge Werbung zu treiben.“

Rezensionen zu fälschen ist verwerflich – und riskant

Verdeckte Aktivitäten im Web 2.0 sind demnach nicht nur moralisch verwerflich, sie sind auch riskant. Kundenrezensionen werden für Unternehmen immer wichtiger, keine Frage. Doch diese Rezensionen zu fälschen, indem man sie selbst unter falscher Identität abgibt, ist fatal. Wer so vorgeht, bringt nicht nur das eigene Unternehmen oder, bei Agenturen, den Kunden in große Gefahr. Er beschädigt zugleich den gesamten Berufsstand der Public Relations. Die Gefahr des Entdecktwerdens ist nicht zu unterschätzen. Wer im Social Web unter falscher Identität unterwegs ist muss umfangreiche technische Vorsichtsmaßnahmen treffen. Das beginnt bei der E-Mail-Adresse, die bei Anmeldung in Social Networks verwendet wird. Während ich diese Zeilen schreibe teste ich das Plugin Rapportive für GoogleMail – was zur Folge hat, dass ich erkennen kann, in welchen Social Networks Sie registriert sind, wenn Sie mir eine E-Mail schreiben. Sie meinen, ich darf das nicht? Nun – wichtig ist, dass Sie wissen, dass Ihr Wettbewerb unter Umständen mit solchen Werkzeugen arbeitet. Tools wie Flowtown oder Spokeo liefern ebenfalls detailliert Auskunft darüber, wer wo registriert ist, und es gibt noch zahlreiche weitere Recherchedienste, manche bieten Sonderpreise für Personaler. Und selbst ganz naiv vorgehende Menschen könnten verdeckten Aktivitäten auf die Spur kommen: Wer sich hinreißen lässt, Facebook oder andere Social Networks Zugriff auf das eigene Adressbuch zu gewähren, der erhält im Gegenzug ebenfalls fein säuberlich gelistet, welcher Mensch unter welcher E-Mail-Adresse und welchem Facebook-Namen registriert ist. Ich weiß aus erster Hand, dass dabei schon mancher vereintlich geheime Spaß-Account plötzlich ans Licht der Öffentlichkeit kam, mit entsprechenden Rückschlussmöglichkeiten auf die Interessen des Inhabers. Peinlich. Haben Sie sich bei einem Social Network unter Ihrer täglich verwendeten E-Mail-Adresse registriert, ist es mit der Anonymität also schon einmal vorbei. Doch nicht genug – auch Ihr Internetanschluss könnte Sie verraten, wenn Sie vermeintlich inkonito aktiv sind. Zwar dürfen Firmen in Deutschland IP-Adressen nur noch wenige Tage lang zur akuten Gefahrenabwehr speichern, doch Sie sollten dennoch damit rechnen, dass jeder Schritt, den Sie im Internet gehen, Ihnen zugeordnet und noch lange Zeit später nachvollzogen werden kann.

Nun gibt es, wie oben beschrieben, tatsächlich Spezialdienstleister, die genug kriminelle Energie aufbringen, Ihnen ein Rundum-Sorglos-Paket für gefälschte Rezensionen zu Ihren Produkten oder Dienstleistungen anzubieten. Sie bezeichnen sich gern als Agenturen für Internet-Marketing oder -Promotion und geben sich einen professionellen, seriösen Anstrich. Logisch: Niemand verdient ausschließlich mit gefälschten Rezensionen sein Geld, es handelt sich nur um eines neben mehreren anderen Produkten, die durchaus seriös sein können. Lassen Sie sich nicht davon blenden und lassen Sie sich nicht auf Fake-Rezensionen ein, sonst könnten Sie eine ähnliche Bauchlandung erleben wie Deutsche Bahn & Co. Deren damals zuständiger Marketingchef Ralf Klein-Bölting wurde nach den oben beschriebenen verdeckten PR-Aktionen entlassen und hat seitdem zusätzlich ein Google-Problem, das Sie leicht selbst nachvollziehen können.

Wenn Kunden mich aufgrund negativer Bewertungen im Web ansprechen und um Rat fragen, so empfehle ich diesen Kunden in aller Regel, stillzuhalten oder aber, in schwerwiegenden Fällen, den Kontakt zu den entsprechenden Rezensionsschreibern zu suchen, damit Ursachen geklärt und erneute Enttäuschungen vermieden werden können. Niemals sollte der Rezensionsschreiber in irgendeiner Form unter Druck gesetzt werden, es sei denn, es handelt sich um eine böswillige falsche Tatsachenbehauptung. Aber Eines werde ich künftig in Erwägung ziehen: Wenn ich im Web auf nachweislich gefälschte Rezensionen stoße oder mir wieder einmal ein Angebot oder eine Preisliste von Rezensionsfälschern auf den Tisch oder in den Posteingang flattert, so werde ich ernsthaft bedenken, das Ganze ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen.

Schlussfolgerungen lassen sich aus den vorgestellten beispielhaften Fällen, die nur Spitzen großer Eisberge sind, vor allem zwei ziehen: Zum Einen ist festzuhalten, dass im Web 2.0 durchaus Selbstreinigungskräfte vorhanden sind, die den Drahtziehern hinter unmoralischen Guerilla-Aktivitäten schnell brandgefährlich werden. Zum Anderen kann jedem einmal ein Fehler unterlaufen, und sei es, weil ein neuer, ehrgeiziger Kollege insgeheim über die Stränge schlägt. Daher ist es für jedes Unternehmen ungemein wichtig, aktiv ein Netz von Fürsprechern in Web 2.0 aufzubauen, auf das man sich im Krisenfall verlassen kann.