Was macht das Daimler Blog so erfolgreich? Uwe Knaus ist als Manager Corporate Blogging & Social Media Strategy bei der Daimler AG tätig. Ich habe mich mit ihm über die Anfänge und das Erfolgsrezept des international anerkannten Corporate Blogs unterhalten.

Frage: Herr Knaus, mit bis zu 40.000 Besuchern pro Monat gilt das Daimler-Blog als äußerst erfolgreich. Mehr als 400 Autoren, vor allem Mitarbeiter, haben dort bereits Beiträge veröffentlicht. Was waren die Voraussetzungen dafür?

Uwe Knaus: Das Daimler Blog zeigt nicht nur, wie wir als Unternehmen mit Kritik umgehen, welche Produkte wir herstellen oder welche vielfältigen Möglichkeiten Mitarbeiter haben, sich innerhalb des Unternehmens zu entwickeln. Es macht auch sichtbar, welche Kultur im Unternehmen vorherrscht. Dass Mitarbeiter Themen aus ihrem Arbeitsalltag auch in und mit der Öffentlichkeit diskutieren dürfen, ist erste Grundlage für eine entsprechende Themenvielfalt. Interessante Einblicke, authentisch rübergebracht und mit einer Prise Persönlichkeit versehen sind Garant für eine gute und relevante Reichweite.

Gab es damals ein Vorbild für das Daimler Blog?

2007 war die deutsche Landschaft der Corporate Blogs sehr überschaubar. In USA hingegen war die Landschaft der Unternehmensblogs schon ausgeprägter. Wir schauten uns verschiedene Arten von Corporate Blogs an: CEO-, Marketing-, PR-, oder beispielsweise Mitarbeiter-Blogs, und fühlten uns in unserem Konzept bestätigt. Ein konkretes Vorbild hatten wir nicht, wobei das Frosta-Blog uns am stärksten inspirierte.

Mussten Sie das Blog in der Anfangszeit gegen interne Kritik verteidigen? Wie haben Sie diese Argumente entkräftet?

Die interne Kritik hielt sich in Grenzen, da sich unsere Kommunikationsabteilung seit geraumer Zeit mit dem Medienwandel und den damit einhergehenden Veränderungsprozessen beschäftigt. Wir analysieren laufend, welche Zielgruppen wir über welche Kanäle erreichen können, diskutieren die jeweiligen Vorteile sowie Risiken und wägen sie sorgsam gegeneinander ab. Insofern war bereits vor 2007 relativ schnell klar, dass das Daimler Blog eine sinnvolle Ergänzung zur „One Voice Policy“ ist.

Wer sind die Zielgruppen des Daimler Blog?

Das Daimler Blog wurde konzipiert, um unsere Öffentlichkeitsarbeit zu unterstützen. Deshalb wenden wir uns an alle, die sich für Daimler und seine Themen interessieren sowie natürlich die klassischen Stakeholder: Bewerber, Kunden, Zulieferer oder Aktionäre. Eine weitere wichtige Gruppe, die sich erst im Laufe der Zeit herauskristallisiert hat, ist die der Mitarbeiter. Der Mitarbeiteranteil unter den Lesern macht inzwischen – je nach Beitrag – zwischen 25 und 50 Prozent der Leserschaft aus.

Auf welchem Weg finden diese Zielgruppen zu den Inhalten? Welche Rolle spielen Twitter, Facebook und Co. für das Daimler Blog?

Ungefähr 20 Prozent wählen den Direkteinstieg und circa 40 Prozent kommen über Suchmaschinen. Die restlichen 40 Prozent kommen von Seiten, auf denen unser Blog verlinkt ist; allen voran unser Firmen-Intranet, gefolgt von der Daimler-Website. Twitter, Facebook, oder auch Google+ spielen als Referrer eher eine untergeordnete Rolle. Sie sorgen allerdings dafür, dass unsere Themen immer wieder neue Leser erreichen.

Welche Ziele erreicht Daimler mit dem Blog?

Das Daimler Blog im September 2012: magazinig, dialogorientiert, renommiert

Das Daimler Blog im September 2012: magazinig, dialogorientiert, renommiert

Das Daimler Blog ergänzt unsere klassische Kommunikationsarbeit. Unser ursprüngliches Ziel, das Leben hinter den Werkstoren ins Netz zu tragen und dabei mit den verschiedenen Interessengruppen in Dialog zu treten, gilt noch immer unverändert. Hierbei spielt das Thema „Transparenz“ eine ganz entscheidende Rolle: Unternehmen werden mit zunehmender Komplexität und Größe von Außenstehenden häufig als unübersichtlich und unnahbar empfunden. Viele Menschen denken zuerst an Mercedes-Benz, wenn der Name „Daimler“ fällt; und dabei in der Regel an die Pkw-Sparte. Unsere Nutzfahrzeugsparte, die Busse, aber auch Marken wie Freightliner, Fuso, smart oder gar die Mercedes-Benz Bank werden nicht immer auf Anhieb mit Daimler in Verbindung gebracht. Falls man keinen kennt, der hier arbeitet, besteht kaum die Möglichkeit, hinter die Kulissen zu schauen. Wenn nun Mitarbeiter ihre Erfahrungen ins Netz stellen – authentisch und offen – wird unser Konzern zunehmend transparenter und das Innenleben als deutlich erlebbarer wahrgenommen; aufgrund der Firmengröße gilt dies nicht nur für Außenstehende sondern auch für die eigenen Mitarbeiter. Corporate Blogs sind daher gerade für Konzerne ein wertvolles Werkzeug, um trotz ihrer Größe weniger komplex zu wirken und zugänglicher zu werden. Durch sie erleben Außenstehende unser Unternehmen nicht mehr als Black Box, sondern erfahren etwas über die Strukturen und die Menschen, die bei Daimler arbeiten.

Wie wird der Erfolg intern gemessen?

Kennzahlen, wie beispielsweise Anzahl der Besucher oder Seitenaufrufe sind ein Indiz für den Erfolg. Wichtiger ist jedoch die Verweildauer, die Kommentarfrequenz, oder auch der Verlinkungsgrad. Letzterer ist auch ausschlaggebend für die Auffindbarkeit unserer Blogbeiträge über Suchmaschinen. Dass dies hervorragend funktioniert, zeigt dass Suchmaschinen alleine 40 Prozent an Traffic bringen.

Oft wird der Erfolg ja nur quantitativ beurteilt – anhand der Abrufzahlen. Existieren für das Daimler Blog auch andere, qualitative Erfolgskriterien?

Wir schauen natürlich auch auf Tonalität und inhaltliche Tiefe der Kommentare, und wie unsere Beiträge bewertet werden. Ein weiteres Indiz für gute Qualität ist die Nennung des Daimler Blogs als positives Beispiel in den klassischen Medien oder Publikationen. Interessant ist zudem, dass das Daimler Blog wissenschaftlich national und auch international wahrgenommen wird. Zum Beispiel untersuchte eine Studie an der Purdue University, USA, inwieweit die von Daimler repräsentierten und kommunizierten Werte von Mitarbeitern wahrgenommen und verinnerlicht, respektive „gelebt“ werden. Das Fazit der Studie: Daimler verfügt über eine bekannte und akzeptierte Identität und kann auf eine stabile Reputation bauen“.

Wie hat sich das Daimler Blog über die Jahre hinweg weiterentwickelt?

Bereits 2007 wollten wir den Daimler-Konzern mit seinen vielfältigen Facetten möglichst breit darstellen. Insofern war uns schon bei der Konzeption klar, dass das Daimler Blog auch eine starke Wirkung in Richtung Employer Branding haben würde. Und wie erwartet, entwickelte sich „Einstieg & Karriere“ zur meistgelesenen Kategorie. Im Laufe der Zeit kamen Gastbeiträge von Menschen dazu, die zwar nicht Mitarbeiter sind, aber doch in einer Beziehung zu unserem Unternehmen stehen. Greenpeace beispielsweise bloggte in einem Gastbeitrag, wie sie die Mobilität der Zukunft sehen und wie sie zum Thema Elektromobilität stehen. 2009 hatten wir das Design des Blogs einmal runderneuert und vom klassischen Tagebuchformat auf ein modernes Magazinformat umgestellt. Mit der Folge, dass die Interaktivitätsrate und die Verweildauer stark anstiegen. Vor der Umstellung lag die Besuchszeit bei 2.45 Minuten, danach bei 5 Minuten. Inzwischen sind wir bei 7:30 angelangt; genügend Zeit, um sich mit unseren Themen intensiv auseinanderzusetzen. Hinzu zu kam das Thema „Krisenkommunikation“. Denn gerade in Krisenfällen leistet das Blog besonders dann einen positiven Beitrag zur Reputation, wenn wir es frühzeitig einsetzen, um auf kritische Themen zu reagieren. Sobald sich potenzielle Krisensignale im Netz verdichten, haben wir die Möglichkeit, frühzeitig und effektiv zu reagieren. Unter anderem ermöglicht ein adäquates Posting, dass das Thema im Netz bleibt und sich nicht auf die Massenmedien ausdehnt. Es kommt somit erst gar nicht zu einem Reputationsschaden. Zudem sind wir im Laufe der Zeit auf Kollegen aufmerksam geworden, die nicht nur während ihrer Arbeitszeit motiviert sind, sondern sich auch in ihrer Freizeit stark für die Gesellschaft engagieren. Dieses Engagement stellen wir in der Reihe “Off Duty” vor. Diese qualitative wie quantitative durchweg positive Entwicklung zeigt, dass sich der Daimler Blog inzwischen als fester Bestandteil der Kommunikation wie auch allgemein im Konzern und seinen Mitarbeitern etabliert hat.

Das Daimler Blog soll möglichst authentisch sein. Andererseits gelten gewisse Mindeststandards. Wie kriegen Sie die Gratwanderung hin?

Blogs leben von Authentizität. In Bezug auf unsere Mitarbeiter bedeutet Authentizität, dass deren Handeln nicht durch externe Einflüsse beeinflusst, sondern von den Kolleginnen und Kollegen selbst bestimmt werden. Würden wir Mitarbeiter auffordern, zu bestimmten Themen zu bloggen, auf die Sie keine Lust oder für die sie keine Zeit haben, käme unter dem Strich auch kein authentisches Ergebnis heraus. Das Blog wäre nichts weiter als ein klassisches Push-Instrument der guten alten PR, nur mit Social Media-Bezug. Deshalb haben wir es primär als Mitarbeiterblog konzipiert – mit wenig Mindeststandards und langer Leine. Für das Corporate Publishing nutzen wir weiterhin unsere klassischen Kommunikationskanäle, wie beispielsweise Pressemitteilungen oder die Corporate Website. Deshalb ist Corporate Blogging, so wie wir es verstehen, daher auch keine Gratwanderung. Mitarbeiter schreiben in ihrer Sprache, aus ihrer persönlichen Sicht – mit allen Ecken und Kanten, die Menschen mit sich bringen. Genau das macht diese Form der Kommunikation so interessant.

Daimler pflegt nicht nur ein eigenes Blog, sondern unterhält auch systematisch Beziehungen mit Autobloggern. Wie hat sich das bewährt?

Uwe Knaus, Manager Corporate Blogging & Social Media Strategy, Daimler AG

Uwe Knaus, Manager Corporate Blogging & Social Media Strategy, Daimler AG

Es gibt in Deutschland eine kleine, feine Auto-Blogosphäre, mit der wir bereits seit mehr als zwei Jahren zusammenarbeiten. Nach einem ersten Kennenlernen bei unseren Mercedes-Benz Markenworkshop in 2010 hat sich eine konstruktive Beziehung entwickelt, die wir intensiv in einer geschlossenen Facebook-Gruppe und bei Events pflegen. Dieser offene Dialog und die damit verbundenen kurzen Reaktionszeiten werden sehr geschätzt. Wir entwickeln mit und für Blogger passende Formate so z.B. Mercedes-Benz Live Talks von großen Messen. Blogger, die nicht vor Ort sein können, haben die Möglichkeit an einem Google+ Hangout mit Vertretern des Top-Managements teilzunehmen. Hier können sie ihre eigene Fragen und die ihrer Twitter-Follower und Facebook-Kontakte einbringen. Ein weiteres Tool für unsere Zusammenarbeit ist Mercedes-Benz Social Publish – eine Plattform, welche als Inspirationsquelle und Recherchewerkzeug für Blogger und Online-Journalisten konzipiert wurde. Hier wird eine Vielzahl von internen und externen Inhalten rund um Mercedes-Benz zusammengetragen, strukturell aufgearbeitet und professionell der anvisierten Zielgruppen sowie allen Interessierten zur Verfügung gestellt. Um Bloggern den Zugang zu unseren Produkten zu ermöglichen, laden wir diese selbstverständlich zu unseren Pressefahrveranstaltungen ein und ermöglichen ihnen die Nutzung unserer Pressetestwagen.

Dieses Interview ist ein Vorabauszug aus dem im November 2012 in überarbeiteter Neuauflage erschienenen Fachbuch „Social Media Relations“ von Bernhard Jodeleit. Das Buch (Preis ca. 30 EUR) kann beim Autoren unverbindlich vorgestellt werden.