Shitstorm hier, Shitstorm da – es wird viel über den Entrüstungssturm im Social Web diskutiert. Wie kann man den Shitstorm verhindern? Statt Thesen aufzustellen möchte ich zwischendurch einmal einen konkreten und leicht umsetzbaren Praxistipp geben. Zielgruppe: PR-Verantwortliche, die sich auf mögliche Shitstorms vorbereiten möchten. Zweck: Handlungsfähigkeit im Ernstfall.

Häufiger als gedacht zeichnen sich mögliche Krisen zu ganz konkreten Themen schon einige Tage oder sogar Wochen vor ihrem tatsächlichen Eintreten ab. In der Praxis sprechen wir dann von einer „Krise mit Ansage“. Gründe für ein solches Szenario gibt es viele. Es kann sich um geplante Marketingaktionen mit Issue-Potential handeln, etwa Werbekampagnen, die Kritiker auf den Plan rufen könnten. Denkbar sind auch Markteinführungen von Produkten mit Ablehnungspotential, sei es ein schnelles Auto mit hohem Spritverbrauch oder ein auf umstrittenen Technologien basierendes Produkt. Zudem können „Krisen mit Ansage“ externe Auslöser haben, etwa geplante Kampagnen von Interessengruppen gegen bestimmte Branchen, Produkte oder Marken. Solche „Krisen mit Ansage“ lassen sich ganz wunderbar vorbereiten.

Krisenprävention mit der Szenario-/Aktionsmatrix

  1. Definieren Sie Szenarien in Form einer Matrix. Überlegen Sie genau, welche Vorwürfe (zu genau einem Thema) gegen Sie oder Ihr Unternehmen bzw. ihre Organisation erhoben werden könnten.
  2. Skizzieren Sie die jeweiligen Kernpunkte der Kritik in nicht mehr als zwei, drei Zeilen Text.
  3. Definieren Sie fünf unterschiedliche Stufen der Kritik und beginnen Sie ein Excel-Sheet, in dem Sie diese fünf Stufen als Spaltenbezeichnungen verwenden.
  4. Im Anschluss unterteilen Sie die möglichen Quellen von Kritik in fünf unterschiedliche Qualitätsstufen – begonnen mit wenig Relevanz (beispielsweise anonyme Kritiker ohne Reputation) bis hin zur höchsten Stufe (Kritik-Quelle ist ein renommierter Blogger oder Journalist). Diese Quellen-Stufen verwenden Sie als Zeilenbeschriftungen. Nun haben Sie eine Matrix vor sich.
  5. Definieren Sie fünf unterschiedliche Aktionen, mit denen Sie auf die Kritik zu reagieren gedenken – begonnen mit Aktion 1 gleich „nichts tun, aussitzen“ bis hin zu Aktion 5, beispielsweise „Kommentar auf eigener Plattform löschen, da rechtswidrig“. Notieren Sie diese Aktionen. Tragen Sie dann in die Matrix in jedes Feld die passende Aktion 1-5 ein.

Die Szenario-/Aktionsmatrix hat den klaren Vorteil der internen Abstimmbarkeit. Sie können diese Matrix mit ihren Kollegen und Vorgesetzten gemeinsam verabschieden. Dann haben Sie im Krisenfall verlässliche Leitplanken für die Reaktion.

Wordings für den Krisenfall

Ebenfalls wichtig für den Krisenfall: Wordings zu bekannten Issue- und Krisenthemen.

  1. Erstellen Sie ein Excel-Sheet, in dessen Spaltenüberschriften Sie beispielsweise fünf unterschiedliche inhaltliche Ausprägungen von Kritik (zu genau einem Themenkomplex) eintragen. Als Zeilenüberschriften für Ihre Matrix verwenden Sie diesmal nicht die Art und Relevanz der Quelle wie bei der Szenario-/Aktionsmatrix. Vielmehr verwenden Sie die y-Achse, um die Heftigkeit der Kritik zu definieren. Begonnen von sachlicher Kritik über einen heftigen Kritiksturm über die Vermischung mit anderen rufschädigenden (Schein-) Argumenten bis hin zur unkontrollierten Ausbreitung der Kritik über mehrere Plattformen hinweg.
  2. Füllen Sie die Matrix mit Wordings aus. Damit sind vorab formulierte Statements gemeint, die Sie beim Eintreten des durch x- und y-Achse definierten Falles zu publizieren gedenken.
  3. Achten Sie auf die unterschiedlichen Tonalitäten und, falls es sich bei der kritisierten Instanz um ein Unternehmen oder eine Organisation handelt, auch auf den jeweiligen Absender.

Keine Krisenkommunikation mit Textbausteinen!

Manchmal wird die Matrix-Idee kritisch hinterfragt: Man könnte einwenden, dieses Vorgehen sei zu linear, da könne man ja gleich eine Software entscheiden lassen, wie auf Kritik reagiert wird. Diesem Eindruck möchte ich entgegentreten. Wichtig ist, dass die beiden Matrixdokumente lediglich Instrumente sind und kein Autopilot. Eine kommunikative Krise lässt sich nur mit Empathie und passgenauen, persönlichen, überlegten, emotional passenden Antworten meistern. Die vorangegan-genen Tipps sollen um Himmels Willen nicht dazu verleiten, Krisenkommunikation mit vorbereiteten Textbausteinen zu betreiben. Dies ist ein fataler Irrweg und führt unmittelbar in die Eskalation. Ein solches Vorgehen würde ebenso blutleer wie unglaubwürdig wirken.

Passen Sie daher sowohl Ausprägung und Frequenz der Antworten als auch die Tonalität der aktuellen Situation in der Debatte an. Genießen Sie dennoch das gute Gefühl, sich ausreichend auf die Krise eingestellt zu haben. Wichtig ist nicht, sich sklavisch an die produzierten Dokumente zu halten. Wichtig ist, sich ausreichend auf die Krisenszenarien eingestellt zu haben – und dabei hilft das zuvor beschriebene Vorgehen ungemein.

Dieser Text ist in Teilen ein Auszug aus der für Herbst 2012 geplanten Neuauflage des Buches Social Media Relations. Wie bei der Erstauflage werde ich Kommentare mit Zustimmung der Kommentierenden ins Buch übernehmen.